MinMon Podcast #54 by Alexander Paulski

Ausgabe 54 des MinMon Podcasts ist da! Dieses Mal entführt uns Alexander Paulski in eine dichte Klangwelt aus deepen Rhythmen, fein selektierten Grooves und einer spürbaren Liebe zum Detail. Sein Mix verbindet analog-warmen Sound mit präziser Dramaturgie – zwischen House, Disco und organischen Texturen entfaltet sich ein Set, das sowohl Kenner*innen als auch Tanzwütige abholt.

In unserem kleinen Interview sprechen wir mit Alex über seinen musikalischen Werdegang, seine Leidenschaft für Vinyl und Rotary-Mixer, sowie über seine Perspektive auf Inklusion in der Clubkultur.


Steckbrief

Artist: Alexander Paulski
Label/Crew: Discotopia
Stil: House & Hi-NRG Disco
First rave: Time Warp 2001
On air since: 2011
Living: When the first Spritz of the day hits my veins
Playtime: When sunlight hits the roof of Heideglühen (still need to finally get booked there though)
DJ Setup: Rotary – all about the sexy knobs, no sync button involved
Favorites: Marlens Shaw – Touch me in the morning
Drink: Espresso Martini – Margarita – Negroni – Espresso Martini – Margarita – Negroni – […] – Espresso Martini – Margarita – Negroni
Superpower: Sourcing incredible under-the-radar tunes


Podcast


(Direktlinks: Podcast Feed, iTunes, Download)


Interview

Hallo Alex, herzlich willkommen beim MinMon Podcast. Wie geht es dir?

Super. Ultra fertig von einem Wochenende mit meinem Patenkind, das zum ersten Mal ein ganzes Wochenende alleine hier bei uns war. Hut ab an alle Eltern dieser Welt! Aber war richtig toll. Nächstes Wochenende muss ich aber wieder tanzen.

Wie bist du ursprünglich zum Auflegen gekommen, und was hat dich musikalisch am meisten geprägt?

Meine erste Platte habe ich so 2001 gekauft.Ich bin damals in einen der coolsten Plattenläden in Heidelberg und hab nach „Schranz“ gefragt. Ich wurde etwas schräg angeschaut, aber hab was gefunden. In der Zeit war ich immer in U60 bei Chris Liebing, DJ Rush und Sven Väth tanzen. Mein erstes Set hab ich so 2010 hochgeladen. Minimal. 2011 zog ich nach Berlin und war auf jeder Homoptatik im Blank und jeden Sonntag in der Panoramabar. 2012 insgesamt 54 mal in einem Jahr. Vor allem Prosumer, nd_baumecker, Mr. Ties, Tama Sumo, Virginia, Hunee und Steffi waren es damals. Da hat es mich auch richtig gepackt: aus Techno und Minmal wurden House und Disco und irgendwann fing es dann an in diesen Selector-Bereich reinzugehen.

Dein Sound ist sehr charakteristisch – wie würdest du deinen Stil beschreiben und was macht ihn für dich besonders?

Ich nenne es gerne Power Disco. Für Euch hab ich mal wieder ein reines House-Set gespielt, weil ich richtig Bock drauf hatte und gerade aus London kam, wo ich viel Vintage Vinyl gekauft habe, aber für gewöhnlich spiele ich ein Crossover aus allen Spielarten des Disco (viel Hi-NRG, aktuell super gerne Soca, Boogie etc.) gepaart mit House, UK Garage und – je nach Uhrzeit – ner guten Prise Rave.

Was war dein bislang bedeutendster oder schönster Gig – und warum?

Gute Frage. Es gab einige. Dazu gehört sicherlich ein legendäres Closingset im Farbfernseher. Ich sollte 2 Stunden spielen. Daraus wurden 6. Unfassbarer Vibe. Ansonsten sicher mein Hi-NRG-Morning-Set im Sisyphos (O-Ton eines Gastes „Das war das beste Set, das ich jemals im Wintergarten gehört habe“) und unsere ausgedehnten b2b-Sessions auf unseren eigenen Festivals in den Sonntagmorgen rein – die gehen auch gerne mal 10 Stunden.

Oh und einen hab ich noch. Das war eine Party in einer Off-Location. Ein echter Underground-Tipp. Da wurde Community gelebt. Mein Set startete um halb 6, die Stimmung ließ etwas nach und ich war leicht besorgt, dann wurde eine Pinata auf der Tanzfläche geschlagen. Sie war voller Dr$gen, die dann unter allen geteilt wurden. Als ich anfing hat‘s bei allen geklickt. Mein erster Tune war Phil Collins – In the air tonight. Der absolute Vibe. Kurz drauf musste ich mein Set unterbrechen, zum lüften, weil ich vergessen hatte, die Nebelmaschine auszumachen. Aber dann folgten 3 Stunden unfassbarer Tanzerei.

Wie hat sich deine Beziehung zur Clubkultur über die Jahre verändert – sowohl als Künstler als auch als Gast?

Ich liebe es auszugehen und zu tanzen. Das wird sich nie ändern. Aktuell gehe ich fast jede Woche in die Heide. Ich liebe es dort sehr, weil dort echte Music Lover zusammen kommen. Da gibt es keine Instagam-Videos, wenn ich dort reinkomme merkt ich das ist ein Ort von Ravern für Raver

Generell habe ich manchmal das Gefühl, dass Feiern gehen stellenweise zu trendy wird. Es stehen andere Dinge als die pure Ekstase im Vordergrund und Leute denken, sie müssen in Muster passen. Konformität als Devise. Als DJ versuche ich das aufzubrechen. Ich liebe es, nicht die Erwartungen zu bedienen und werde dann eigentlich immer mit einer frenetischen feiernden Crowd belohnt. Kürzlich habe ich das Closing beim Kabinett der Kuriositäten gespielt. Die Leute hatten ein klassisches Frankfurter Closing erwartet und dann kam ich rotzfrech mit 135bpm Disco, Soca, Edits, funky US Deephouse. Einer kam dann völlig geschwitzt zu mir uns sagte: „Geil, Alter! Spielst Du immer so oder wolltest Du für heute was Besonderes machen?“. Genau für solche Momente macht man das und sie zeigen ja: am Ende geht es darum, gemeinsam zu feiern.

Du bist bekannt dafür, mit Rotary-Mixern zu spielen und Vinyl zu sammeln. Was bedeutet dir dieses haptische, analoge Setup – und wie beeinflusst es deinen Zugang zur Musik?

Meinen Mixer (Varia Instruments RDM 20) habe ich mir geschenkt, als ich mich selbständig gemacht habe. Es klingt einfach geiler. So ein Pioneer Mischpult klingt einfach compressed sowie mechanisch und den Unterschied spürt das Publikum auch unterbewusst. Das hat definitiv mein Bewusstsein für Sound verändert und damit die Art und Weise, wie ich Musik finde. Manche Scheiben sind einfach dafür gemacht, durch so einen Mixer zu laufen und den Master Isolator kann man einfach wie ein Instrument spielen. Du kannst das Publikum so richtig schön teasen und zum Höhepunkt führen. Würde ich Tech House spielen, wäre das anders – da bräuchte ich Effekte, Compression und Co.

Welche Verantwortung siehst du als DJ in Bezug auf Inklusion und Diversität in der Szene – und was wünschst du dir von Veranstaltenden, Clubs und Kolleginnen?

Ich gehe seit den späten 90ern aus. Damals trug ich Rock und Buffies. Bei uns war das mega mutig. Wir sprachen damals vom Unity Feeling. Der Schweiß tropfte von der Decke, wir waren eins. Diversity war selbstverständlich, es gab nur noch keinen Namen dafür. Es stand völlig außer Frage. Mehr noch: Anderssein wurde gefeiert. Wenn es einen Ort gibt, um sich zu finden, auszuprobieren und zu definieren, andere Sichtweisen kennenzulernen ist das unsere Szene – damals wie heute. Diversity meint nicht nur Geschlecht und sexuelle Orientierung, sondern auch soziale Schichten, Handicaps oder Neurodiversität, was in der Diskussion manchmal untergeht. Wir müssen es uns unbedingt wahren, dass sich das alles natürlich anfühlt. Wir als DJs, Veranstalter etc. sind gefragt, Sichtbarkeit zu schaffen und Plattformen zu bieten. Aber es darf nicht ad absurdum führen.

Ich war zum Beispiel vor 2 Jahren auf einem Festival bei dem die Veranstalter, mit gutem Gewissen, besonders divers gebucht haben, aber leider die musikalische Qualität gelitten hat. Das hat dann am Ende gegenteilige Effekte und bringt niemandem etwas. Da gibt es manchmal einfach viel Druck. Diversity war für die ein Marketinginstrument und das sollte es nie sein. Im Übrigen ist das Lineup dieses Jahr bei denen viel besser und durchmischter – und hat noch immer einen stark erkennbaren Fokus auf Diversität.

Wenn ich an meine Lieblingskünstler:innen denke, so war es schon seit ich denken kann so, dass ein Großteil von ihnen weiblich, POC und queer war oder aus anderen marginalisierten Gruppen kam. Diese Vielfalt die wir haben zu feiern ist absolut richtig und mit mehr Zugang zu Musik, Produzieren, Technik etc. wird dieses Verhältnis sogar noch besser – ich war schon immer dagegen, einseitig zu buchen. Ganz unprätentiös und selbstverständlich eine Plattform zu bieten ist eine super Form von Aktivismus. Dann kann ich auch ganz natürlich und impactstark „vocal“ werden.

Dazu kommt dann ja noch, wie teuer feiern teilweise geworden ist. Das führt auch zu einer Verschiebung. Feiern zu gehen ist eben auch (außer vielleicht dort, wo es noch Raum für Subkultur gibt, der ja auch weniger wird), ein sehr privilegiertes Vergnügen geworden.

Auf den Events, die wir organisieren, habe ich den Auswahlprozess für Musiker:innen aufgezogen. Ich achte immer auf Diversität im Musikteam. Der Auswahlprozess selbst ist anonym, damit wirklich alle die gleiche Chance haben und Bro-Business nicht den Hauch einer Chance hat. Wenn aber 2 Künstler:innen die gleiche Qualifikation haben, nehmen wir immer die Person aus einer marginalisierten Gruppe. Auch müssen wir als erfahrene DJs andere supporten. Ich spreche Leute gezielt an und ermutige sie zu spielen, sich auszuprobieren. Wir hatten auch schon Jahre, da habe ich bspw. meinen eigenen Slot an Newcomer:innen gegeben und auch andere DJs ermutigt, mir dies gleichzutun.

Zum Thema Zugänglichkeit haben wir uns, für eine Veranstaltung, dieses Jahr etwas Neues überlegt. Bisher hatten wir Low Income-Tickets. Finanziert durch Spenden und Teile des Produktionsbudgets – die Preisreduktion war aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieses Jahr gehen wir, ohne jetzt ins Detail zu gehen, zum „No Income“-Ticket über. Das kostet wirklich nur einen Obolus, der ein paar grundlegende Kosten deckt. Es soll wirklich allen ermöglichen zu kommen, vor allen denen, denen selbst das Low Income-Ticket zu teuer gewesen wäre. Alle anderen zahlen ein Basisticketpreis (das ist quasi kostendeckend und entspräche dem ehemaligen Low-Income Ticket) und bestimmen von dann selbst den finalen Ticketpreis. Mal sehen, ob das so klappt :D

Was bedeutet dir Community – sei es im Kontext von Labels, Crews oder lokalen Szenen?

Community ist unfassbar wichtig. Wir alle teilen Werte und können voneinander lernen. Derzeit sehe ich eine Tendenz zum Exklusiven, zum Betonen von Unterschieden und das beobachte ich mit etwas Bauchschmerzen, denn es kommt selten ohne Wertung aus. Das sollten wir tunlichst vermeiden.

Die richtige Community hilft uns zu wachsen, sie gibt uns Support und Exposure. Communities müssen kreative Schmelztiegel sein und Dinge entstehen lassen.

Gibt es ein persönliches Projekt oder Ziel, das du in nächster Zeit musikalisch verwirklichen möchtest? Was steht aufregendes an?

Wir haben eine neue Location für eines unserer Burning Man-inspirierten Events gefunden. Das wird viel Arbeit, aber auch der Beginn einer neuen Ära. Da freue ich mich richtig drauf.

Alex, vielen Dank für deine Antworten und deinen Mix.